Deutsche auf der Flucht , livre ebook

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German, Middle High (ca.1050-1500)

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Endlich befreit. Die Erleichterung in Dänemark im Frühjahr 1945 war groß. Allerdings war dies keine große Hilfe für die über 200.000 deutschen Flüchtlinge, die in den letzten Kriegsmonaten auf der Flucht vor der Roten Armee ins Land kamen. Der Zufall wollte, dass die in Dänemark gestrandeten Flüchtlinge von der Gnade ihrer dänischen Gastgeber abhingen. Die Deutschen träumten von einem neuen Leben, doch Dänemark war soeben erst von einer verhassten Besatzungsmacht befreit worden. Deswegen waren die Flüchtlinge nicht sonderlich beliebt – sie trafen auf Ablehnung bei den Dänen und bei den Behörden bis die letzten deutschen Flüchtlinge im Februar 1949 ausreisen konnten. Sie dokumentierten ihre Schicksale in Briefen und Tagebüchern, die in einer globalen Welt mit großen Flüchtlingsströmen eine zeitlose, aktuelle Geschichte erzählen.
Treten Sie mit John V. Jensen, Kurator beim Vardemuseerne, hinter den Stacheldraht und tauchen sie ein in eine Geschichte von Unglück, Leid und einem kleinen Hoffnungsschimmer.
Deutsche auf der Flucht is auch auf Dänisch erhältlich.
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Date de parution

05 mai 2022

Nombre de lectures

2

EAN13

9788772198798

Langue

German, Middle High (ca.1050-1500)

Poids de l'ouvrage

3 Mo

Titelside
100 danmarkshistorier
John V. Jensen


Aarhus University Press
FLUGT - Refugee Museum of Denmark
Flucht bers Eis

Hinter jedem Namen auf den Kreuzen steht ein deutsches Fl chtlingsschicksal, das wir jedoch nur in den seltensten F llen kennen. Wenn wir die dahinterliegende Geschichte kennen, handelt es sich gew hnlich um dramatische Ereignisse, aber oft kennen wir nun den Namen. Auf dem Westfriedhof in Kopenhagen ist die gr te Ansammlung an deutschen Gr bern aus dem Zweiten Weltkrieg mit 4.643 Soldaten- und 5.344 Fl chtlingsgr bern. Oksb l, Aalborg, Gedhus und Grove sind weitere gro e Fl chtlingsfriedh fe.
|| John V. Jensen/ Vardemuseerne
Eine aktuelle Geschichte
Im bei enden Frost n herte sich eine lange Karawane dem zugefrorenen Haff. Es war sp t am Tag, Dunkelheit brach bereits an. Die Karawane aus einfachen Pferdefuhrwerken mit Segeltuchplanen steuerte dem Frischen Haff in Ostpreu en entgegen. Im Laufe des Tages waren immer mehr Fl chtlinge zugestiegen, und die ersch pften Pferde mussten sich noch st rker anstrengen.
Adelheide Borutta fl chtete aus Tilsit (heute Sowetsk) vor der heranr ckenden Roten Armee. Sie war nun mit ihrem Schwiegervater, zwei Schw gerinnen und deren beiden kleinen Jungen im Alter von drei Jahren und elf Monaten auf einer kr ftezehrenden Flucht. Als Erstes wurden die Jungen und Schw gerinnen auf einen der Wagen verteilt, da es nicht f r alle Platz gab. Obwohl Adelheide schwanger war, musste sie wie ihr Schwiegervater zu Fu gehen, ehe ein anderer vorbeifahrender Wagen sie aufsammelte.
Die Wagen wurden bei dichter Dunkelheit in angemessenem Abstand zueinander ber das Eis gelotst - langsam, damit das Eis sie tragen konnte. Frost hatte eingesetzt und das Tauwetter der vergangenen Tage abgel st, doch am Ufer war das Eis immer noch br chig, daher reichte das Wasser den Wagen das erste St ck des Weges bis zu den Achsen. Erst weiter drau en war das Eis tragf hig. Adelheide Borutta zufolge war die berquerung des zugefrorenen Haffs im Schutz der Dunkelheit vermutlich ein Gl ck, da der Wagenzug sp ter angegriffen wurde und die Dunkelheit die Trag dien verbarg, die sich in der Bucht abspielten. Wagen brachen mitsamt Passagieren und Pferden in den Eisl chern ein, die die Bomber hinterlassen hatten. Andere haben berichtet, wie sie bei ihrer berquerung am Tage die Ertrunkenen durch das Eis sehen konnten. Vor solch einem unbarmherzigen Anblick blieben Adelheide und ihre Mitfl chtlinge durch die Dunkelheit verschont. Sp ter markierten abkommandierte deutsche Soldaten auf dem Eis die lebensgef hrlichen L cher, damit die Menschen ihnen ausweichen konnten.


Deutsche Fl chtlinge im Februar 1945 in Danzig. Die milit rische Offensive der Roten Armee l ste gro e Fl chtlingsstr me in Richtung Westen aus. Im Herbst 1944 schlug General Friedrich Hossbach (1894-1980) dem Gauleiter in Ostpreu en, Erich Koch (1896-1986), vor, die Zivilbev lkerung aus den stlichen Teilen Ostpreu ens zu evakuieren. Koch lehnte ab.
|| Brigitte H ber/ Bundesarchiv
Adelheide und ihr Gefolge erreichten die Frische Nehrung auf der anderen Seite der Bucht, wo nach der gef hrlichen Fahrt bereits viele Wagen mit Fl chtlingen angekommen waren. Alle waren voller Hoffnung, mit dem Schiff westw rts kommen zu k nnen. Es war der 8. Februar 1945, der Zweite Weltkrieg trat in seine Schlussphase ein und riesige Menschenmassen bewegten sich auf ihrer Flucht vor der Roten Armee aus den stlichen Landesteilen westw rts. Der Winter erschwerte allerdings die Flucht, die K lte hatte besonders f r viele kleine Kinder schicksalhafte Folgen. Adelheide berichtet, wie ihr sp rlicher Proviant rasch aufgebraucht war und sie Schnee essen mussten, um etwas trinken zu k nnen.
Nach einigen Tagen gelangten Adelheide und ihre Mitfl chtlinge nach Danzig (heute Gda sk), von wo aus sie und viele andere am 17. Februar an Bord des Fl chtlingsschiffs Deutschland gingen und fortkamen, bevor sowjetische Truppen Danzig umzingelten und belagerten. Das Fl chtlingsschiff nahm Kurs gen Westen und legte zun chst auf R gen an, sp ter in Rostock, von wo ein Zug die Fl chtlinge weiter nach Bad Segeberg und Neum nster brachte, um anschlie end die d nische Grenze mit einem Halt in T nder zu passieren. Nach einer langen und gef hrlichen Flucht kamen sie am Abend des 21. Februar im Milit rlager Oksb l an, wo sie auf Soldatenbaracken verteilt wurden.
W hrend der Flucht waren Adelheide und ihr Schwiegervater getrennt worden, weshalb er D nemark nicht erreichte. Sp ter gelang ihnen die Kontaktaufnahme, allerdings erlebte er nicht mehr die R ckkehr seiner Angeh rigen aus D nemark im Juni 1947. Adelheide brachte am 11. Mai 1945 im Lager Oksb l ihre Tochter Heidrun zur Welt. Kurz darauf musste Adelheides Schw gerin miterleben, wie ihr einj hriger Sohn Hartmut in Oksb l an Diphtherie starb. Leo, der Vater des Jungen, war im M rz 1945 gefallen. Adelheide selbst h rte nie mehr etwas von ihrem Mann, der an der Ostfront gewesen war.
Zusammenbruch an der Ostfront
Am 13. Januar 1945 begann die Rote Armee mit ihrer gro angelegten Offensive auf die deutsche Ostgrenze. Parallele Vorst e rieben die deutschen Verteidigungslinien auf, und sowjetische Panzer donnerten gen Westen. Ein paar Tage sp ter nahmen russische Truppen Warschau und Krakau ein, am 27. Januar befreiten sie das gr tenteils ger umte Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, aus dem die Gefangenen zuvor auf Todesm rsche in westliche Richtung geschickt worden waren. Weiter n rdlich, in Ostpreu en, verlief der Vormarsch etwas langsamer. Die zur ckgebliebene deutsche Zivilbev lkerung war ver ngstigt angesichts der Aussicht, den vorr ckenden sowjetischen Truppen in die H nde zu fallen.
Das Ende des Krieges r ckte n her, doch die gewaltigen Fl chtlingsstr me in Ostpreu en in den Monaten vor der Winteroffensive f hrten zu Chaos. Bereits im Oktober 1944 hatte die Rote Armee die deutsche Ostgrenze berschritten, wenngleich der Angriff zur ckgeschlagen worden war, und wenige Tage sp ter hatten die Deutschen die Gegend um das Dorf Nemmersdorf (heute Majkowskoje) zur ckerobert. Dort fanden sie grausam ermordete Dorfbewohner, vergewaltigte und anschlie end erschossene Frauen vor. Das Schicksal von Nemmersdorf ist bis heute umstritten, aber es gilt als gesichert, dass die Deutschen - indem sie Fotos der Get teten und Geschichten von maltr tierten, an Scheunentoren festgenagelten Leichen verbreiteten - diesen Zwischenfall nutzten, um Angst und Schrecken zu s en. Auf diese Weise sollten Zivilisten zum Widerstand gegen die Russen mobilisiert werden. F r viele deutsche Fl chtlinge wurde Nemmersdorf ein Symbol f r sowjetische Kriegsverbrechen und ein Teil ihres geistigen Reisegep cks.
Der Angriff im Januar 1945 m ndete f r die deutsche Wehrmacht in einer Katastrophe und l ste unter der Zivilbev lkerung gro es Leid aus. Um wegzukommen, machten sich Menschen wie Adelheide und ihre Familie zu Hunderttausenden auf den Weg in Richtung der Ostseest dte. Am 26. Januar 1945 wurde die letzte Landverbindung von Ostpreu en nach Westen abgeschnitten. Nun blieb einzig die Ostsee als m glicher Fluchtweg.
Von Balga am Frischen Haff, etwas s dwestlich von K nigsberg (heute Kaliningrad), brach die frischverm hlte und hochschwangere Eva Droese mit der Familie auf. Von der berquerung erz hlt sie:
Wir wurden auf das Eis geleitet, wo wir uns in den endlosen Zug der Treckwagen einreihten. Wir wu ten gar nicht wie uns geschah, russische Flieger warfen ihre Bomben auf uns ab und beschossen uns mit Bordwaffen. Die russische Artillerie hatte sich auf die Treckstra e eingeschossen und ri gro e L cher in das Eis. Wagen und Menschen versanken in den Fluten. Es war furchtbar!
Weiter westlich machte sich der zw lfj hrige Rudolf Kruschinski mit seiner Familie von ihrem Zuhause in Wahlendorf (heute Niepoczolowice) in Westpreu en auf den Weg. Es war am fr hen Morgen des 10. M rz 1945, und er erinnert sich immer noch an die Rufe und Schreie der Russen, als die Familie im Pferdewagen in Richtung Danzig fl chtete. W hrend sie bei leichtem Frost durch den Schnee fuhren, konnte er in der Ferne die russischen Panzer sehen. Drei Tage sp ter erreichten sie Danzig und wurden in eine Schule einquartiert, ehe sie an Bord eines Minensuchbootes nach Kopenhagen fuhren. Das Boot wurde w hrend der berfahrt von britischen Flugzeugen angegriffen, doch in Rudolfs Erinnerung blieb vor allem haften, dass sie zum ersten Mal seit langem wieder etwas Ordentliches zu essen bekamen. Am 19. M rz kam Rudolf mit seiner Familie in Kopenhagen an, von wo aus sie auf Viehwagen in ein deutsches Milit rlager nach Aalborg fuhren.
Auch vor der damals dreizehnj hrigen Frau Becker aus Stargard in Pommern lag eine ungewisse Zukunft. Sie war gerade konfirmiert worden. Die Familie sa am Kaffeetisch, als sie von der R umung Stargards erfuhren, da die Russen vor den Toren der Stadt standen. Sie gelangten westw rts bis nach Stettin, wo allerdings Bomben fielen. Vor der Flucht waren sie ein letztes Mal in Stargard, wo das M dchen und ihre Gro mutter ein paar Sachen in einem Koffer mitnahmen. Ihre Mutter war zu krank, um mitzukommen. Auf dem Weg aus der Stadt sammelten sie ein paar Deutsche mit Auto auf. Die Russen kommen , sagten sie und verlie en panisch die Stadt. Viele Jahre sp ter berichtete sie, dass sie niemals den Anblick eines jungen Mannes am Adolf-Hitler-Platz vergessen werde, der an den F en aufgeh ngt worden war und ein Schild mit der Aufschrift trug: Ich musste sterben, weil ich Feigling bin!
Die Angst vor den Russen war bei Frau Becker und ihrer Familie derart gro , dass sie um jeden Preis fortwollten. Sie machten sich wieder auf den Weg nach Stettin, dann weiter westw rts nach Loitz an der Peene. Dort verschlechterte sich der Zustand ihrer kranken Mutter, und die Dreizehnj hrige musste versprechen, sich um die j ngeren Geschwister zu k mmern. Kurz darauf starb ihre Mutter an diesem fremden Ort in einem fremden Zimmer, erst zweiunddrei ig Jahre alt. Sie konnten einen Sarg anstatt eines Pa

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